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Vibe Coding vs Agentic Engineering

· Veröffentlicht am 01.07.2025

KI für uns Devs, Fluch oder Segen?

Du dachtest, die größte Debatte in der Entwickler-Community wäre Tabs vs. Spaces? Dann kennst du die aktuellen Diskussionen um “Vibe Coding” und “Agentic Engineering” noch nicht. Diese beiden Begriffe spalten gerade die Developer-Szene wie kaum ein Thema zuvor – und die Fronten werden täglich härter.

Was zum Teufel ist “Vibe Coding”?

“Vibe Coding” – ein Begriff, der erst im Februar 2025 von OpenAI-Mitgründer Andrej Karpathy geprägt wurde und bereits Millionen von Views auf X/Twitter generiert hat. Seine Definition? “Eine neue Art des Codens, bei der du dich vollständig den Vibes hingibst, Exponentialitäten umarmst und vergisst, dass der Code überhaupt existiert.”

Klingt poetisch, aber was bedeutet das konkret? Beim Vibe Coding beschreibst du in natürlicher Sprache, was deine Software machen soll, und lässt KI-Tools wie Cursor, GitHub Copilot oder Claude den Code generieren – ohne ihn wirklich zu verstehen oder zu reviewen. Du vertraust einfach darauf, dass es funktioniert. The vibe is right, der Code läuft, alle sind happy.

Und tatsächlich: 25% der Y Combinator Startups aus dem Winter 2025 haben Codebases, die zu 95% KI-generiert sind. Der Begriff schaffte es sogar innerhalb eines Monats ins Merriam-Webster Dictionary als “Slang & Trending”-Begriff.

Der “Leo-Skandal” und das böse Erwachen

Aber halt – da war da dieser Leo (@leojr94_), der stolz verkündete, eine komplette SaaS-Anwendung “mit null handgeschriebenem Code” entwickelt zu haben. Das Ergebnis? Innerhalb weniger Tage wurde seine Anwendung gehackt, API-Keys wurden ausgereizt, User umgingen die Bezahlschranken und die Datenbank wurde mit Müll geflutet. Leos Kommentar: “Ich bin nicht technisch versiert, deshalb dauert es länger als üblich, das herauszufinden.”

Dieser Fall wurde zum Paradebeispiel für Kritiker, die Vibe Coding als “Geschäftsleute, die so tun, als bräuchten sie diese nervigen Techies nicht” bezeichnen.

Agentic Engineering: Die “erwachsene” Alternative?

Während die Vibe Coding-Debatte tobt, etabliert sich parallel “Agentic Engineering” als vermeintlich seriösere Alternative. Hier geht es nicht um blindes Vertrauen in KI-generierten Code, sondern um strukturierte Workflows mit autonomen KI-Agenten, die planen, ausführen und iterieren können.

Andrew Ng, einer der führenden KI-Forscher, definiert vier Kernmuster des Agentic Engineering:

  1. Reflection: KI-Agenten kritisieren und verbessern ihre eigene Ausgabe
  2. Tool Use: Integration mit externen APIs und Services
  3. Planning: Multi-Step-Aufgabenzerlegung und -ausführung
  4. Multi-Agent Collaboration: Teams spezialisierter Agenten arbeiten zusammen

Tools wie CrewAI, LangGraph und Microsoft AutoGen ermöglichen es, komplexe Entwicklungsworkflows zu orchestrieren, bei denen verschiedene KI-Agenten als Projektmanager, Architekt, Entwickler und QA-Tester zusammenarbeiten.

Erfolgsgeschichten aus der Praxis

Die Nubank in Brasilien nutzte ähnliche agentic Ansätze für eine massive Code-Migration und erzielte dabei 12x Effizienzsteigerung und 20x Kosteneinsparungen bei der Modernisierung von 100.000+ Data-Class-Implementierungen. Microsoft-Kunden wie Taylor Wimpey und Linklaters berichten von deutlichen Produktivitätssteigerungen beim Einsatz von KI-Agenten.

Die 10x-Produktivitäts-Realität: Senior vs Junior Developer

Die Diskussion um Produktivitätssteigerungen ist komplexer als die oft zitierten Studien suggerieren. Meine Erfahrung und Beobachtung: Senior Developer, die moderne KI-Agent-Workflows richtig einsetzen, können tatsächlich dramatische Produktivitätssteigerungen erzielen – während es für Juniors extrem problematisch wird.

Was die oberflächlichen Studien zeigen:

  • GitHub Copilot: 55% schnellere Task-Completion in kontrollierten MIT-Studien
  • Microsoft/Accenture: 26% durchschnittliche Outputsteigerung
  • Angeblich profitieren Junior Developer am meisten (27-39% Gains)
  • Senior Developer sehen nur 8-13% Verbesserung

Aber hier liegt der Denkfehler: Diese Studien messen oft nur isolierte, einfache Coding-Tasks oder Code-Completion. Was sie nicht messen, ist die Revolution bei komplexen Architekturbausteinen.

Warum Seniors mit AI-Agents wirklich produktiver werden

Senior Developer haben das konzeptuelle Verständnis, um KI-Tools strategisch einzusetzen:

  • Architektur-Klarheit: Sie wissen, WAS gebaut werden muss, bevor sie die KI fragen WIE
  • Pattern Recognition: Sie erkennen, wann KI-Vorschläge sinnvoll sind und wann nicht
  • Debugging-Skills: Sie können KI-generierten Code schnell validieren und fixen
  • Boilerplate-Elimination: Stundenlange Routine-Tasks (DTOs, API-Endpoints, Tests) werden zu Minuten-Aufgaben

Die wirkliche Senior-Produktivitätssteigerung liegt nicht bei einfachen Code-Completions, sondern bei der Eliminierung von Boilerplate-Code und komplexen Architektur-Implementierungen.

Das Junior-Developer-Dilemma

Für Juniors wird es hingegen zur Falle:

  • Fehlende Konzept-Basis: Sie verstehen oft nicht, was die KI tut
  • Code-Dependency: Sie werden abhängig von KI, ohne Fundamentals zu lernen
  • Debugging-Nightmare: Wenn KI-Code fehlschlägt, können sie nicht debuggen
  • Falsche Sicherheit: Sie denken, sie können programmieren, verstehen aber die Basics nicht

GitClear-Analyse bestätigt das Problem: 41% mehr Bugs bei Copilot-Nutzung, Code Churn verdoppelt sich – hauptsächlich bei unerfahrenen Entwicklern.

Zu welcher Gruppe gehörst du?

Die Enthusiasten

“Vibe Coding demokratisiert die Programmierung!” – Diese Fraktion sieht KI als Equalizer, der es auch Non-Techies ermöglicht, funktionierende Software zu erstellen. Besonders bei Prototyping und persönlichen Projekten schwören viele auf den Ansatz.

Die Skeptiker

“Technical Debt compounds exponentially when you don’t understand your code” – Senior Developer warnen vor den langfristigen Konsequenzen. Auf Reddit häufen sich Posts über “Context Collapse” nach ~5.000 Zeilen KI-generiertem Code, wo die Tools den Überblick über die Systemarchitektur verlieren.

Die Pragmatiker

Die größte Gruppe sucht den Mittelweg: KI als “Pair Programmer”, nicht als Ersatz. Sie nutzen Tools wie Cursor für Boilerplate-Code, behalten aber die Kontrolle über Architektur und Sicherheit.

Security First: Warum Vibe Coding gefährlich ist

80% der Entwickler umgehen KI-Code-Security-Policies, zeigt eine Snyk-Umfrage. Gleichzeitig glauben 76% fälschlicherweise, dass KI-generierter Code sicherer ist als handgeschriebener Code. Das Ergebnis? GitGuardian meldet 23,7 Millionen geleakte Secrets auf öffentlichen GitHub-Repos in 2024 – Repositories mit Copilot leaken Secrets 40% häufiger.

Real Talk: Wenn du Vibe Coding betreibst, ohne den generierten Code zu verstehen und zu reviewen, öffnest du Angreifern Tür und Tor.

Cursor: Game-Changer für Seniors

Ein perfektes Beispiel für die Senior-Produktivitätssteigerung ist Cursors neuestes Feature-Set. Die wichtigsten Updates aus 2025:

Background Agent & Multi-File-Support

Das neue Background Agent System kann parallel mehrere Aufgaben abarbeiten, während du weiter codest. Für Senior Developer bedeutet das:

  • Parallel Processing: Während du an Feature A arbeitest, erstellt der Agent Tests für Feature B
  • Multi-Root Workspaces: Mehrere Projekte gleichzeitig indiziert und verfügbar
  • Search & Replace in Large Files: Effiziente Bearbeitung riesiger Codebases ohne vollständiges File-Reading

.cursorrules & Project-Wide AI Policies

Senior Developer können ihre Architektur-Entscheidungen in .cursorrules codifizieren:

Hier ein Beispiel:

# Cursor Rules für unser Angular-Projekt
## Rule: Architecture
- Verwende ONLY OnPush Change Detection Strategy
- Implementiere reactive Forms mit Custom Validators
- Nutze NgRx für alle State Management Patterns

## Rule: Security
- ALLE HTTP-Calls müssen durch unseren AuthInterceptor
- Keine direkten localStorage-Zugriffe, nur über SecurityService
- Input-Validation für alle API-Boundaries mit Zod

Das Ergebnis: Die KI generiert Code, der perfekt zu deiner bestehenden Architektur passt, ohne dass du jedes Mal die gleichen Patterns erklären musst.

Agent Mode mit Tool Integration

Der neue Agent Mode kann:

  • Terminal-Commands ausführen
  • Dateien erstellen und modifizieren
  • Semantic Code Search durchführen
  • File-Operations handhaben

Für einen Senior Angular Developer bedeutet das: “Erstelle mir eine komplette Feature-Module mit Routing, Guards, Services, Components und Tests für User-Management” – und der Agent macht es, entsprechend deiner .cursorrules.

Bug Finder & Code Quality

Das experimentelle Bug Finder Tool analysiert deine Feature-Branches gegen main und findet potenzielle Issues mit Confidence-Ratings. Senior Developer können das strategisch nutzen, um Code-Reviews zu automatisieren und sich auf Architektur-Entscheidungen zu konzentrieren.

Der Entwickler-Realitätscheck

Was funktioniert bereits heute

  • Boilerplate-Code-Generierung für Standard-Frameworks wie Angular, React oder Spring Boot
  • Code-Review-Unterstützung mit KI-Tools, die Bugs und Security-Issues finden
  • Automatisierte Testing-Workflows mit selbstheilenden Test-Scripts
  • Documentation-Generation für APIs und interne Tools

Was du vermeiden solltest

  • Blindes Copy-Paste von KI-generiertem Code ohne Review
  • Production-Deployments ohne menschliche Security-Validierung
  • Komplexe Architektur-Entscheidungen allein der KI überlassen
  • Vibe Coding bei kritischen Geschäftslogiken
  • Junior Developer ohne Senior-Supervision auf KI-Tools loslassen

Fazit: Evolution statt Revolution

Vibe Coding vs. Agentic Engineering ist nicht die richtige Fragestellung. Die wirkliche Revolution passiert bei erfahrenen Developern, die KI-Agent-Workflows strategisch einsetzen. Meine Beobachtung: Senior Developer, die Tools wie Cursor mit seinen neuen Background Agents und .cursorrules richtig nutzen, werden tatsächlich 5-10x produktiver – aber nur, weil sie das konzeptuelle Fundament haben.

Für Weekend-Projekte und Prototypen? Vibe Coding kann durchaus Sinn machen. Für Production-Code mit Geschäftskritikalität? Definitiv Agentic Engineering mit erfahrener menschlicher Oversight.

Juniors sollten erst die Fundamentals lernen, bevor sie zu AI-Tools greifen. Seniors hingegen können durch intelligente Agent-Workflows ihre Produktivität revolutionieren, weil sie die Boilerplate-Hölle endgültig hinter sich lassen können.

Die erfolgreichsten Teams werden die sein, die KI-Speed mit Senior-Judgment kombinieren. Tools wie Angular mit KI-Unterstützung können tatsächlich Entwicklungszeiten drastisch verkürzen – aber nur, wenn du verstehst, was passiert und die richtigen Safeguards implementiert hast.

Bist du ein Senior Developer und bereit für diese neue Ära der KI-unterstützten Entwicklung? Dann schau dir die Angular AI Agent-Driven Development Schulung an. Hier lernst du, wie du KI-Tools strategisch und produktiv in deine Angular-Projekte integrierst – ohne in die Vibe Coding-Falle zu tappen.

Die Zukunft der Softwareentwicklung ist weder pure Vibe noch pure Agentic – sie ist hybrid, intelligent und braucht erfahrene Developer, die beide Welten verstehen und KI als Boilerplate-Eliminator statt als Ersatz-Hirn einsetzen.


Quellen

Geschrieben von

Hey! Ich bin Robin Böhm – Software-Enthusiast, Berater und Autor mit Leidenschaft für JavaScript, Web und KI. Schon seit Jahren bin ich im KI-Universum unterwegs – erst an der Uni, dann immer wieder mit spannenden Prototypen im Job. Jetzt, wo KI endlich für alle zugänglich ist, brennt mein Herz dafür dieses Wissen Menschen zugänglich zu erklären! Es macht mir Spaß zu zeigen, wie man mit cleveren Agenten-Systemen den Alltag vereinfachen und langweilige Tasks automatisieren kann. Übrigens: Ich habe das erste deutsche Angular-Buch verfasst und bin Mitgründer von Angular.DE sowie Gründer von Workshops.DE. Lust auf Beratung, Coaching oder einen Workshop zu JavaScript, Angular oder KI-Integrationen? Schreib mir einfach! 😊

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Annika Stille, Verantwortliche für interne Weiterbildung bei adesso SE
Annika Stille
Verantwortliche für interne Weiterbildung, adesso SE